Mai 1941, Paris

Nachdem wir uns in der Wache gemeldet hatten gab man einen Gefreiten mit welcher uns mittels Fahrstuhl nach dem 3ten Stock brachte. In der Anmeldung stellte man fest, daß Helmut im Einzelzimmer lag, Nr. 8. Zunächst legten wir im Schwesternzimmer unsere Sachen ab und durften uns erstmal mit Kaffee und Bisquitt stärken. Dann wurde uns der Oberarzt vorgestellt, Dr.Sorgo, ein Spezialist aus Wien. Es sagte uns auch schon die Schwester, daß Helmut von dem Telegramm nichts wissen durfte. Gab auch einen kurzen Bericht über sein Befinden, daß sein Zustand bedenklich sei und das Leben an einem Faden hänge. Dann begab er sich zu Helmut und bereitete ihn auf unseren Besuch vor.

Dann traten wir beide den schweren Gang an. Es war einfach furchtbar, sein Kind in dem Zustand zu sehen. Blühend und gesund verließ er uns im Februar, und hier trifft man ihn abgemagert zum Skelett, den Kopf dick verbunden, wie ein Indischer Maharadscha. Kraftlos die Sprache, doch klar der Verstand und das Auge. Wir mußten alle Energie aufbieten um ruhig zu bleiben. Es war Vorm. gegen 10 Uhr. Wir blieben bis 1/2 12 Uhr. Dann gingen wir erst in unser zugewiesenes Hotel, etwa 6 Minuten vom Lazarett. Ein Sanitätsgefreiter begleitete uns.

Es war Hotel Paris in der Rue Henricy Poincarè. Dort wurde auch deutsch gesprochen. In dem Hotel waren auch etwa 10 Angestellte des Lazaretts einquartiert. Nachdem wir uns gesäubert hatten, gingen wir in der Nähe, am Platz der Republik, in ein Lokal zum Mittagessen. Ich speiste: 1 gr. Bouillon, 1 Suppe, Rindfleisch, Brot, 1 Bier für 13 France = 65 Pf. ( 1 Fr. gleich 5 Pf.)

Dann begaben wir uns wieder zu Helmut. Von 3 Uhr nachm. bis abends 1/2 7 Uhr. Er hatte Fieber, da in der Zeit unserer Abwesenheit eine Bluttransfusion gemacht wurde. 300 ccm. Wir sprachen kaum ein Wort mit ihm, wie auch während der anderen Besuche bei ihm, denn jede Anstrengung des Kopfes war so gut wie Gift für ihn.

Ich sprach mit dem Arzt etwa 3 mal und verlangte klare Auskunft, ob Helmut wieder hergestellt werden kann und ob er mit dem Leben davonkommt. Der Arzt offenbarte mir, daß Helmut nicht durchkommt. Ich verlangte ausdrücklich diese offene Auskunft. Am Montag dem 19.Mai 41 fuhren wir mal in die Stadt zum Ostbahnhof um nach dem Zug zu fragen und Fahrkarte, denn ich mußte wieder zurück. Diesen Vormittag benutzten wir um einmal nach dem Eifelturm zu fahren. Wir haben ihn auch bestiegen bis zum Restaurant. Das ist etwa 100 mtr. hoch.

Nachmittag gingen wir zu Helmut und trafen ihn einigermaßen mobil an. Der Arzt machte mir auch gute Hoffnung, wenn es so bliebe und ich sollte nur mit guter Zuversicht nach Hause fahren. So reiste ich am 19.Mai 41 abends 10.23 Uhr von Paris ab. Gertrud blieb in Paris bei Helmut. War es mir schwer beim ersten Wiedersehen, so war es mir doppelt schwer von Helmut Abschied zu nehmen. Ob er innerlich so ruhig war, wie er äußerlich schien?

Jedenfalls grüßte er mich mit dem deutschen Gruß zum Abschied, als ich mich in der offenen Tür nochmals umsah nach ihm. Ich reiste über Metz, Saarbrücken, Frankfurt a.M. zurück und war am anderen Tag nachm. gegen 3/4 5 Uhr in Leipzig. Daheim wurde ich mit Sehnsucht erwartet. Meine Frau sah sehr angegriffen aus. Nachdem ich mich etwas erfrischt hatte, schilderte ich alles, wie ich Helmut angetroffen habe, wie er war, als wir ihn die Tage besuchten und wie ich wegfuhr. Wir waren guter Hoffnung. Und doch auch voller schwerer Sorgen, denn ich habe die Gespräche mit dem Arzt meiner Frau nicht verheimlicht.

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