Vaterstolz

Nun schreiben wir das Jahr 1935. Von Tag zu Tag, von Woche zu Woche ist es schlechter geworden. Manchen Tag sitze ich daheim und nichts zu tun. Der Schlaf flieht jetzt oft des Nachts, was ich sonst nie gekannt habe. Wenn man jetzt schon, im besten Mannesalter, auf die Almosen der Kinder angewiesen ist, und man hat noch einen Funken Charakter im Leibe, so frißt das am Menschen.

Mir ist um meine liebe Frau leid. Gar oft habe ich nachgedacht, was machen! und das zermürbt mich, scheints, noch vollends. Heute ist der 4.September 1935 und wieder so ein verrückter Tag. In der Wohnstube läßt Werner das Radio gehen. Ich möchte am liebsten den Kasten zertrümmern. Die Augen lassen auch merklich nach. Eine Folge der Zeit und Nervosität. Doch will ich den Kopf hochhalten so gut es geht, und den Körper im Zügel, sonst gehen die Gedanken mal durch.

Und nun: Wie stand und stehe ich zu meiner Frau und Kindern! Vorerst zu meiner Frau.

Ich kann nur sagen, sehr gut. Denn sie versteht mich so richtig. Schon in lediger Zeit hatten wir ein schönes Leben. Bis heute, 17.2.1936 hat sie alles gute und böse mit mir geteilt. Die Schlechten Zeiten ohne Murren mit ertragen. Und sie ist es, welche mich noch hochhält. Freilich ziehen auch schon leise die Silberfäden durch ihr Haar, wie auch bei mir. Doch darf ich hoffentlich noch recht lange an ihrer Seite sein.

Zu meinem Sohn Werner. Dieses Verhältnis ist nicht das Beste. Woran es liegt? Ich weiß nicht recht. Jedenfalls kann ich sein ganzes Wesen nicht vertragen. Oder bin ich zu feinfühlend? Jedenfalls bin ich durch den Krieg nicht so mit ihm verwachsen. Denn wenn die Kinder klein sind und man sieht sie aufwachsen, so ist eine ganz andere Verbindung da. Andererseits habe ich vielleicht zu viel Stolz in mir, als daß ich mal etwas annehme. Dies entfremdet nun leider auch mit. Doch bin ich nun mal so.

Zu Hildegard und Helmut.
Hier ist es besser. Ich will nicht damit sagen, daß diese so etwas wie Vorzug hätten, durchaus nicht. Aber es ist etwas, daß das gegenseitige Verhältnis mildert. Oder werde ich von beiden besser verstanden?

Im allgemeinen ist es nun so, daß ich jedem Kind gefällig bin, so gut es geht. Ich tue also meine Pflicht als Vater den Kindern gegenüber und nichts weiter. Was und wie es später mal wird, soll mir gleich sein. Ich bin eben durch die Zeit völlig gleichgültig geworden. Aber meinen Stolz behalt ich, den kann mir kein Mensch nehmen.

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