Revolution und Kriegsende 1918

Meine liebe Frau empfing mich am Bahnhof. Der Urlaub währte vom 22.0kt bis 12.Nov.18, an welchem Tag ich wieder in Pinsk eintreffen sollte. Ich verlebte die Tage in Glück und Zufriedenheit. Doch sollte es ganz anders kommen. Während des Urlaubs waren schon in größeren Orten Deutschlands Bewegungen im Gange.

Am 9.Nov. 18 ging ich mit meiner Frau in die Stadt und besuchten eine Bekannte, welche ein Ladengeschäft hatte in der Wintergartenstraße. Da sahen wir durch die Ladentür, daß den Soldaten, Offz. usw. die Kokarden von den Mützen, Achselstücken von den Röcken herabgerissen wurden. Auch Auszeichnungen, Waffen abgenommen usw. Die Revolution war doch ausgebrochen. Umzüge, Versammlungen fanden statt, die Kasernen dem Soldatenrat übergeben.

Es war ein Durcheinander. Ich machte mir die Kokarde u. Achselstücke selbst in dem Laden ab und versteckte mein Seitengewehr mit Koppel unter dem Waffenrock. Mein Urlaub lief am 12. November 1918 ab. Am genannten Tag fuhr ich nach Dresden zum Ersatz Batl. Inf.Regt.177 da ich doch zu meinem Regiment in der Ukraine nicht mehr gelangen konnte. Dort wurde ich zum Generalkommando XII gewiesen, wo ich vom 12.Nov. bis 2.Dez.18 Nachurlaub erhielt. Zur Bahnfahrt genügte einfach der Urlaubsschein, während sonst ein Fahrschein nötig war.

Während der Tage meines Nachurlaubes dehnte sich die Revolution über ganz Deutschland aus. Alle Regenten im Reiche mußten Abdanken und auf alle Ansprüche der Krone usw. verzichten. Der deutsche Kaiser Wilhelm II wandte sich nach Holland auf Schloß Doorn. In Berlin ging es sehr Wüste und Toll zu. Eine Regierung um die andere stürzte.

Kurz, es war ein Durcheinander. Als mein Nachurlaub am 2.Dezb. 18 ablief, ging ich 2 Tage später am 4.Dezb. zur Entlassungsstelle für Urlauber im Postamt 9 am Blücherplatz in Leipzig und erwirkte dort meine Entlassung. Mein Entlassungsgeld sollte ich vom Ers. Batl. 177 Dresden bekommen und teilte dies demselben mit. Da sich nichts rührte wande ich mich an das Generalkommando XII in Dresden. Auch von da hörte ich nichts.

So entschloß ich mich am 30.Dezb. 18 selbst nach Dresden zu fahren. Dort wurde die Entlassung vom 4.Dezb. für ungültig erklärt und ich einer Komp. zugewiesen. Ich sollte bis zum 2.Januar 1919 warten an welchem Tag ich rechtsgültig entlassen werden sollte. Da ich jedoch bereits wieder Arbeit hatte, war es mir nicht möglich so lange zu warten. Nachdem ich auf der Kammer und mit dem Wirtschaftsunteroffz. alles geregelt hatte sprach ich mit dem Unteroffz. vom Geschäftszimmer und bot ihm 5 Mark wenn er es möglich mache, daß ich denselben Tag nachm. entlassen werde. Und siehe da, es ging. Bereits um 1/2 3 Uhr nachm. hatte ich Geld (65 Mark), Entlassungsschein, Anzug und fuhr vergnügt nach Leipzig zurück.

Ich war nun rechtsgültig entlassen und der verfluchte Weltkrieg für mich zu Ende. Desgl. meine Militärlaufbahn. Mein Inf. Regt. 415 noch in der Ukraine. Den Untoffz. traf ich jedoch nicht mehr und behielt mein Geld.

Ich habe nur den einzigen Wunsch, daß meine beiden Söhne nie etwas von Militärdrill zu sehen und fühlen bekämen, denn ein Soldat ist doch nur ein etwas verfeinerter Landsknecht. Doch sollte es leider einmal anders werden und sein.

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Dresden

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