November 1915 zum Heeresdienst

Der Postdienst gefiel mir außerordentlich und die höheren Vorgesetzten waren mit mir zufrieden. Jedenfalls hörte ich nie einen Tadel. Dies mag wohl auch der Anlaß gewesen sein, daß man ein Gesuch nach Berlin einreichte für Reklamation meiner Person für die Dauer des Krieges.

Es war dies am 14. Oktober 1915. Als dieses Gesuch in Berlin am 15. Oktober eintraf, war bereits in der Nacht vom 14. zum 15. Okt. der Befehl ergangen, daß Hilfskräfte nicht mehr reklamiert werden dürfen, gleichviel in welchen Diensten oder Stellungen. Das war natürlich Pech und der Vorsteher des Telegrafenamtes bedauerte dies sehr.

Am 15. Oktober mußte ich wieder mal, wohl schon das 5. mal seit Kriegsausbruch zur Musterung nach dem Bezirkskommando in der Ehrensteinstraße und am 1. November 1915 zum Heeresdienst eintreffen. Sammelpunkt war der Varietésaal des Kristallpalastes früh 8 Uhr. Nach dem Verlesen wurden wir eingeteilt in drei Gruppen. Eine kam nach Posen, eine nach Großenhain, eine blieb in Leipzig. Die letztere kam jedoch schon nach 10 Tagen in Feindesland um in der Etappe ausgebildet zu werden, denn keiner von uns hatte aktiv gedient. Es waren also alles ungedienter Landsturm.

Ich kam nach Großenhain. Dies hatte ein Freund, welcher im Bezirkskommando als Schreiber eingestellt war, bewerkstelligt, denn man konnte von dort aus schnell mal seine Angehörigen besuchen. Davon etwas später, wie das möglich war. Ich unterhielt mich noch eine Weile mit meiner Frau und Mutter, welche mit zum Kristallpalast gegangen waren. Dann hieß es zu viert antreten, jeder nahm seine Soldatenkiste oder was er für Gepäck hatte auf und es ging zum Bahnhof nach Bahnsteig 26, wurden verladen in Personenwagen und um 1 Uhr nachmittag ging es ab.

Zunächst wußte niemand wohin. Aber die, welche die Strecke kannten merkten Lunte und in Priestewitz hatten wir die Gewissheit wohin es ging. Nachmittag um 4 Uhr kamen wir in Großenhain an. Der ganze Transport wurde eingeteilt in 4 Inspektionen. Die erste kam ins Schützenhaus, die zweite ins Schützenhaus, die dritte ins Tanzlokal im Gasthaus „Zur Krone“ die vierte in die Kaserne der 5.Husarenschwadron, nahe dem Bahnhof. Darunter ich mit.

Es war insofern schön, als wir jeder seinen Schrank und Bette hatten, gemütliche Mannschaftsstuben, Küche und sonstige Bequemlichkeiten, was in einem Saallager fehlte. Und man beneidete uns auch darum. Nachdem wir also in die Stuben verteilt waren, in Korporalschaften, hieß es im Hofe antreten zum Brot fassen, und jeder bekam ein 3 Pfd. Kommissbrot, 1 Schüssel zum Kaffeetrinken und Essenfassen. Dann gab es Kaffee (Schlamm genannt) und Fett. Man machte sich mit den anderen Leidensgenossen bekannt, richtete seinen Schrank ein, hing seinen Civilrock hinein, kurzum vertrieb sich eben die Zeit.

Wir lernten auch unseren Unteroffizier kennen namens Einhorn, ein sehr humaner Mensch, und den Gefreiten Fröbus genannt „das Heimchen“ weil er immer den Vortrag vom Heimchen, die in der Luft rumfliegen, hielt. Darüber war er natürlich wütend, doch kümmerte uns das wenig. Doch davon später.

So wurde es 10 Uhr abends und es ging das erste mal auf Kommando ins Bett, daß ein jeder im Laufe des Nachmittags unter Hilfe seiner Nachbarn mit frischer Leinenwäsche überzogen hatte. Man hatte Leute im Alter von 28-50 Jahre eingezogen. Daß man mit uns nicht so umspringen konnte wie mit 20 jährigen, zeigte sich sehr bald. So vergingen denn 2 Tage mit Essen, Trinken, Rauchen, Warten. Am dritten Tage haben wir dann auf der Kammer Sachen gefaßt. Nun sahen wir aus wie dumme Rekruten. Wir hatten graue Uniformen. Für Sonntags jedoch gab man uns höchst anständige Sachen und jeder durfte sich, wenn er Geld hatte eine Schirmmütze kaufen.


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